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Der langangehaltene Atem
http://www.hainholz.de/wortlaut/balaka.htm
Sabine Treude in der Volksstimme, 28. Dezember
2000
Die junge österreichische Autorin Bettina
Balàka hat dieses Jahr, nachdem sie zuvor
bereits durch ihre Gedichte aufgefallen war, ihren
ersten Roman veröffentlicht. Es ist ein Roman,
in dem sich Erinnerungen an gerade oder längst
vergangene Liebesgeschichten mit Gesprächen,
Telefonaten und dem Austausch von E-Mails kreuzen.
Den E-Mails kommt dabei eine besondere Rolle zu,
denn der Roman rekurriert auch auf dem Genre des
Briefromans, von dem er gleichsam absetzt. Das
Schreiben ist durch die Form des Mailens einer
erheblichen Beschleunigung im schriftlichen Austausch
ausgesetzt, wodurch der herkömmlichen Mittelbarkeit
der Schrift eine Unmittelbarkeit verliehen wird,
die sich vor allem zwischen den AbsenderInnen und
EmpfängerInnen niederschlägt. Die Schrift
im bewegten Bild kann neben der Botschaft zur spontanen Äußerung
avancieren, die am aktiven Leben unmittelbar teilhat
und es ohne den bisherigen Aufwand an Zeit spontaner
mitbestimmt und prägt. Diese Teilhabe am Spontanen
im "direkten" Austausch wird im Roman
durch den stetig fliegenden Wechsel von E-Mail
und erzählter Welt wiedergegeben und markiert
den wesentlichen Unterschied zum Briefroman. Dem
Briefroman bleibt der E-Mail-Roman jedoch auch
verhaftet, sofern das Spontane nicht erzwungen
werden kann und dem Schreiben nicht folgt, was
der beschleunigte Transport des Geschriebenen versprach:
eine ebenso rasche Antwort. Und so kommt die Protagonistin
gar zu häufig, nur diesmal in ins Bild vertiefter
Form, wieder genau dort an, wovon sie sich zu lösen
suchte: dem Warten und seinen Zwängen.
"
Sehr geehrter Herr! Vielleicht antworten Sie mir
deshalb nicht, weil ich Ihnen zwar E-Mails, aber
keine Zeichnungen geschickt habe. (...) Sehr geehrter
Herr, vielleicht wollen Sie noch mehr sehen, ehe
Sie mir wieder antworten.(...) Mein Auftraggeber
schweigt, er schickt keine Satzblöcke in meine
Mailbox, und je länger er nichts unternimmt,
um unsere Verbindung fortzuknüpfen, desto öfter öffne
und überprüfe ich meine Mailbox. Ein
Seil, eine Leine ist eine stabile Verbindung. Zwei
Ringe an zwei rechten Ringfingern getragen sind
eine weniger stabile Verbindung. Hunderte Briefe
sind die Wahnidee einer Verbindung." (S.90,91,94f.)
Zu dem Warten, was nicht neu ist, gesellt sich
im E-Mail-Verkehr ein inzwischen schon gewohntes
Ungewohntes, und zwar der Umstand, daß sich
die Mailerin und der Mailer noch nie gesehen haben
und trotzdem oder gerade deshalb die sog. Privatsphäre
in ihr Schreiben mit einbeziehen. Genau dies tut
jedenfalls die zentrale Figur und Ich-Erzählerin
des Romans, die bildende Künstlerin A. Graziani.
Sie erhält von einem unbekannten Auftraggeber
via E-Mail den Auftrag, eine Reihe von Bildern
mit ausgestopften Tieren zu malen und nimmt diesen
Auftrag an. Dank der satten Überweisungen,
die regelmäßig auf Grazianis Konto landen,
entwickelt sich zunächst ein reger Mail-Austausch
zwischen beiden. An diesem Austausch ist nicht
nur interessant, daß immer mehr Privates
und Persönliches geäußert wird,
sondern überdies, daß diese Äußerungen
jeweils von der Empfängerin bzw. dem Empfänger
in Zweifel gezogen und nicht geglaubt werden. Denn
gerade die strikt eingehaltene Unsichtbarkeit der
PartnerInnen stimuliert die Phantasie hinsichtlich
der unbekannten Person ebenso, wie ihr eine Inszenierung
unterstellt wird. Die sich daraus ergebende Übertragung
dessen, was man selbst tut, auf die andere Person,
hat die Transformation der am Mail-Austausch beteiligten
Personen in Figuren zur Folge. Im Roman bedeutet
das, daß das eh schon figurative Personal
des Romans sich auf einer anderen, direkteren Ebene
nochmals und wiederum anders figuriert. Doch sind
die Gestalten deshalb echter oder sind sie nicht
eher gespenstischer geworden?
Eine gewisse Ähnlichkeit zu den ausgestopften
Tieren drängt sich sukzessive auf. Das Fell
und Gefieder bzw. die Haut bilden nun das ab, was
gar nicht gesehen wird und unsichtbar bleibt, während
die Füllung aus Erzähltem und Mitgeteilten
anregt, das Äußere der Person zu formen.
Und trotzdem bleibt eine Störung, nämlich
die Unübersehbarkeit der Naht, die die Ich-Erzählerin
bereits beim Anblick der ausgestopften Tiere irritierte.
"
Ihr letztes E-Mail hat mich überrascht, denn
plötzlich hat sich ein verschärftes Bild
von Ihnen gebildet. Ich war plötzlich sicher,
daß Sie nur mit Prostituierten schlafen können,
denen Sie Namen und Kostüme verleihen, um
jedes biblische Erkennen zu verhindern. Sie würden
niemals wissen wollen, was in einer Frauenhaut
wirklich alles steckt. Sie füllen Ihre Stoffe
mit abgehackten Gliedern und flicken sich Ihre
Fleischeswünsche aus den Resten zusammen,
die übrigbleiben, wenn man vom Menschen die
Menschlichkeit abzieht und ihn sich nimmt wie aus
der Tiefkühltruhe für Geld."
Zwischen die schriftlich als E-Mail festgehaltenen
detaillierten Darstellungen der ausgestopften Tiere,
die die Protagonistin nachzeichnet, und den regen
E-Mail-Verkehr, der den Roman durchzieht, drängen
sich Skizzen des Alltags, der aus Gesprächen,
Telefonaten, Briefen, Träumen und inneren
Monologen besteht. Sie bestehen und bleiben, sofern
sie im Roman jene Schnittstelle oder auch jenes
Interface bilden, das aufgrund einer Fülle
von Erinnerungen, die in es eindringen, auf das
Persönliche kommt, ohne ihm eine fixe Kontur
in Form eines mit Watte ausgefüllten Fells,
das ein Tier verkörpern, oder einer mit Sprache
ausgestopften postalischen Gewandes, das einen
Mensch verkörpern soll, zu geben. Die Naht
platzt auf und führt zu den Romanfiguren,
die, in "Zeitstürzen", in "Gekröse" und
in "Schwundstellen" wandelnd, dem Geist
der Maske nachgehen und dabei leben und atmen.
Das Buch "Der langangehaltene Atem" stellt
eine eindrucksvolle Hommage an Ingeborg Bachmanns "Malina" dar
und ist nicht allein aus diesem Grund ausgesprochen
lesenswert.
new
books in german, spring 2001:
To open long-shut doors, to
call up magical animals, and to scream so loudly
that all obstacles shatter
- such are the desires of the narrator of this
poetic, densely written, highly rewarding first
novel. The main action starts with an evocation
of the scene from Alfred Hitchcock´s film
The Man Who Knew Too Much that takes place in
the taxidermist´s studio. Dead, stuffed
animals fascinate the narrator. She is a painter
who has received a commission from an unknown
client to draw, at her own choice, some of the
exhibits in the natural history museum in Vienna.
While wandering from room to room she muses about
her lover, Maximilian, who has broken up their
brief affair - the latest in a long line of failed
relationships.
The novel consists of her experiences in the museum,
her chats with a gay friend, Alfred, always there
to help when her lovers disappear, Venezuela, the
colourful, larger than life transsexual, as well
as letters, phone calls, and e-mail exchanges with
her patron. Throughout the novel she is preoccupied
with death. In many ways she would like to be preserved
like the animals in the glass cases. Meanwhile
her drawings will preserve at least part of herself.
The continued image is that of the title - breathing.
The narrator is a heavy smoker. When her schoolfriends
tried hyperventilation in their convent school
to induce fainting (à la St. Teresa), she
never dared to join in. Venezuela accuses her of
being unable to relax since she cannot breathe
deeply and evenly. When Alfred´s dream is
fulfilled as he is appointed to design the costumes
for Frank Wedekind´s Lulu, the narrator finds
herself unexpectedly chosen to perform Lulu´s
final scream, a part always performed by an actress
since it would ruin the singer´s voice. This
scream releases all her lifelong tensions, enabling
her finally to see and appreciate the beauty around
her.
Critics have already started to compare this novelist
with the leading Austrian writers, particularly
Ingeborg Bachmann. A remarkable debut indeed.
Carola
Ebeling in Stint 27/2000:
Der Titel des Romans Der
langangehaltene Atem gibt sein Leitmotiv vor - als
Metapher und zugleich
konkreter körperlicher Vorgang taucht das
Atmen immer wieder auf, und erzählt wird dabei
vom Überleben: Variation eines vertrauten
Themas bei Balàka, mit dem sie bislang noch
nie in eine selbstmitleidige Betroffenheitsprosa
abgeglitten ist. In ihrem ersten Roman verwebt
sie persönlichste Erfahrungen ihrer Protagonistin
mit allgemeineren Reflexionen über Liebe,
Geschlechterverhältnisse, Wissenschaft, Kunst
und die zeitgenössische Machbarkeit des Lebens,
führt beide Ebenen immer wieder zusammen.
Keine sich selbst genügende kluge Gedankenspinnerei,
die ihren Ausgangspunkt und Anlaß, das Lebendige,
zu einem grauen Gehirnbrei verrührte.
Was einer den Atem abzuschnüren droht: die
Liebe - ein zentrales Motiv des Buches, und früh
erfahren die Lesenden von der gegenwärtigen
Verstrickung der Erzählerin, die ein gegenwärtiges
Liebenwollen ist, das aber zurückgewiesen
wird.
Das Liebesthema findet seine Variation in den Briefen
Léas, einer Freundin. Auch in ihren Liebesversuchen
ein Aneinandervorbeireden, vorhersehbare Verhaltensweisen,
weil das alles nicht zum ersten Mal geschieht.
Und ein Erinnern, dem zu entrinnen zuweilen eine
Erleichterung wäre. Daß eben dies nicht
gelingt, beschreibt die Autorin in dichten und
fantasievollen Bildern, so daß sie nur wenige
Worte braucht, vieles anzurühren. "Aber
Julien, ich wollte ihn ja verdrängen, wie
man sagt, mit meiner ganzen Vorwärtskraft
ins Wasser springen und das Wasser verdrängen,
und überall an mir hängt in Tropfen Julien." Balàka
vereint in ihrem Roman verschiedene Sprech- bzw.
Schreibweisen, aber immer wieder und oft genug
stößt man auf diese poetischen Kleinode.
Die Bedrohung, die von der ordnungssprengenden
Kraft der Liebe ausgeht, steht jedoch nicht für
sich allein. Sie fügt sich in einen Umgang
mit der Welt, der auf Ein-Ordnung und Etikettierung
aus ist. Balàka verhandelt das anhand der
Wissenschaft, der Kunst, der Vorstellungen von
Männlichkeit und Weiblichkeit. Für einen
anonym bleibenden Auftraggeber malt die Erzählerin
ausgestopfte Tiere ab. Im Naturkundemuseum gibt
sich das Tote den Anschein des Lebendigen, und
das im Namen der Wissenschaft abgetötete Lebendige
erfährt seine Etikettierung und Kategorisierung.
Es scheint, als setzte sie sich dieser unheimlichen
Welt des Toten aus, um von diesem Ort aus umso
genauer beobachten zu können - denn was hier
offensichtlich betrieben wird, ist allzu oft auch
Basis der gesellschaftlichen Spielregeln. Das Entweder-Oder,
die eindeutige Sicht verweigert im Hinblick auf
die Geschlechter ihre transsexuelle Freundin Venezuela.
Als biologischer Mann meint sie es ernst damit,
als Frau zu erscheinen, und mag sich doch nicht
der Operation unterziehen, die die Zweideutigkeit
am Körper beseitigen, Ordnung in das Durcheinander
bringen soll, welches die "Natur" sozusagen
irrtümlich verursacht hat. Diese somit körperlich
faß- und sichtbar gewordene Grenzverletzung
ruft nicht nur Irritation, sondern offene Aggression
hervor. Eine einmal überschrittene Grenze
bedroht die Geltung vieler anderer, darin liegt
für die meisten immer noch eine Zumutung -
die Aggression wird dem unterstellt, der die eigenen,
oft eng abgesteckten Lebensmöglichkeiten fragwürdig
werden läßt.
Wilfried Prantner in www.faz.net,
Januar 2001:
Balàkas Roman erzählt die erlebten,
erlesenen oder geträumten Lebens- und Sterbegeschichten
zu großen Teilen in einer Serie von E-mails,
Telefonaten und Gesprächen, über die
sich die Zeichnerin mit dem Auftraggeber, ihrem
schwulen Freund Alfred, der enzyklopädisch
gebildeten Transsexuellen, Venezuela, und der in
Südfrankreich ihr Glück suchenden Freundin
Isabelle austauscht. Zusammen mit den Arbeitsbeobachtungen,
Traumberichten und Erinnerungen der Ich-Erzählerin
komponiert Bettina Balàka daraus ein motivisch
dichtes, in einer kühlen und zugleich emotional
geladenen Prosa geschriebenes Textgeflecht, aus
dem sich allmählich das Porträt einer
Frau herausschält, die angesichts der sie
umgebenden Surrogate einen „Weltgenuss"-Vorbehalt
hegt und von einer „Aufführungsängstlichkeit" befallen
ist.
Alfred und Venezuela, beide
tiefe Verehrer der Verkleidungskünste von Wedekinds Lulu und
souveräne Vertreter einer schwierigen Lebenskunst,
sind ihre Ratgeber und Führer bei der Überwindung
dieser Angst. Alfred ist es auch, der ihr rät,
den seltsamen Auftrag im Museum anzunehmen. „So
kommst Du, sagt er, wenigstens unter Tiere".
Während sich nun die Ich-Erzählerin,
anfangs zögerlich, später immer ergiebiger
durch die „von Stillstand zerzauste",
farblose Welt der über „Nacktmodelle" drapierten „Dermoplastiken" zeichnet,
von den Säugetieren absteigend zu den Fischen,
lässt sie rückläufig auch die Galerie
ihrer verflossenen Liebschaften Revue passieren,
allesamt sportliche, wohlbestückte Jungs,
wie aus der Werbung entsprungen, aber liebesunfähig.
Den letzten davon versucht sie gerade zu Beginn
des Auftrags zu vergessen. Dafür lässt
sie sich mit dem Auftraggeber, der wie sie daran
leidet, dass die Welt erstarrt und ihre Farbe verliert,
auf ein E-mail-Versteckspiel ein, in dessen Verlauf
sie einander Bruchstücke ihrer erfundenen
oder wahren Familiengeschichten und Alpträume
erzählen und die Ich-Erzählerin vom Fortgang
ihrer Arbeit berichtet. Sie erfüllt damit,
wie mit den immer üppiger sprudelnden Zeichnungen,
den vampirischen Wunsch des Auftraggebers, an ihrer
Kunst und an ihrem Leben zu partizipieren.
Währenddessen rückt das Glücksversprechen
des Südens, das Isabelle als Léa in
Marseille zu leben versucht und das A. Graziani
anfangs selbst erwogen hatte, in immer weitere
Ferne. Und wird umso klischeehafter, je weiter
es sich entfernt. Sogar die Briefe, in denen Isabelle
davon berichtet, kommen schließlich nicht
mehr per E-mail, sondern sind von Hand auf immer
unscheinbarer werdendes Papier geschrieben.
Die Kunst des richtigen Atmens,
die man für
Tauchgänge in die Unterwasserwelt oder ins
Unbewusste benötigt, oder die einen in Ohnmacht
oder Verzückung fallen lässt - erst hyperventilieren,
dann den Atem anhalten -, hat A. Graziani nie gelernt.
Und was die diesbezüglichen Unterweisungen
Venezuelas fruchten, kann hier nicht verraten werden.
Wie aber die Autorin diese
Technik verwendet, das hält einen unbedingt in Atem. Unter der überlegten
Konstruktion dieses Buches und dem distanziert
lakonischen, nur gelegentlich in Schwabismen ausfransenden
Stil dieser Prosa stauen sich überall die
gebändigten Ekstasen, die jeden Moment auszubrechen
drohen, so wie die ausgestopften Tiere in den Museumshallen.
Das macht die Lektüre dieses intelligenten
Romans, der einem nebenher, ganz unaufdringlich,
auch etwas über unsere Existenz zwischen den
Oberflächen der modernen Medienumwelt erzählt,
zu einem wirklich spannenden und genussvollen Erlebnis.
Christina
Kweta in ORF Online, 8. März 2000:
http://www.orf.at/orfon/kultur/000307-3082/3084txt_story.html
Petra
Ganglbauer in gangway, 31.Mai 2000:
http://www.gangway.net/reviews/balaka.html
Hubert
Lengauer in kolik 13/2000:
Eine gewisse "Graziani" wird per e-mail
beauftragt, Tiere aus dem Naturhistorischen Museum
zu zeichnen, gegen großzügiges Honorar.
Diese Fern-Beziehung zu einem "fremden Freund" schließt
die Ich-Geschichte auf, öffnet die Erinnerungen
an Männerbeziehungen, deren Spuren sich in
Schubladen oder als Dateien abgespeichert finden.
Es sind allesamt "unglückliche" Liebesgeschichten,
von denen die (zeitlich) nahestehendste zu einem
abweisenden "Max" den melancholischen
Unterton liefert, den Phantomschmerz, während
die übrigen, entfernteren, zunehmend absurder
erscheinen. "Ich lache, und der Max-Gedanke
liegt wieder wie ein feuchter Eisbeutel ganz oben
auf meinem Gehirn, nicht weil er an sich so eine
große Gefriermacht besäße, sondern
weil er nur die Wiederholung eines Erich-Gedankens,
eines Jakob-Gedankens, eines Klaus-Gedankens ist,
die Geschichten verästeln und verähnlichen
sich, und die Äste, die unten absterben, treiben
weiter oben am Stamm unter anderem Namen wieder
hinaus."
Der eine ist bekennender Polygamist, der andere
ein Zyniker und läßt sie mitten am Berg
stehen, der dritte fordert eine Brustvergrößerung.
Sie sind, indem sie Konformitätszwänge
als je bestimmte Idiosynkrasie (von ihnen wohl
als individuelle Note gesehen) austragen (oder
von der Frau austragen lassen), alle nicht ganz
dicht, am "normalsten", "vernünftigsten" sind
noch der schwule Theatermann Alfred, die Drag Queen
Venezuela, der (vielleicht fiktive, vielleicht
querschnittgelähmte) Auftraggeber; von ihnen
kommen die besten Ratschläge, die einfühlsamsten
Verhaltensweisen, die schönsten Geschichten. "Mein
Auftraggeber schreibt: Liebe Alexandra, ich könnte
Ihnen niemals böse sein. Schon allein aus
dem Grund, weil es mich gar nicht gibt, weil Sie
jemand anderen meinen, weil ich Sie gezwungen habe,
mich zu erfinden, und weil Ihre Rebellion vollkommen
vergeblich ist."
Der Auftraggeber ist aber gut erfunden (mindestens
so gut erfunden, wie jene Männer "realistisch" sind),
und auch der Auftrag. Es entsteht unter den Händen
der Erzählerin / Zeichnerin ein Bestiarium
aus meist schon etwas schäbigen und in dieser
Schäbigkeit abgezeichneten Exponaten, in einem
Haus, dessen Fassaden- und Figurenschmuck Frauen
als Allegorien, Männer als Forscherköpfe
sind.
Dem imaginären Männer-Museum im Kopf
mit seinen behämmerten, beriebenen, beschädigten
Exponaten entspricht (in unaufdringlicher, assoziativer
Verknüpfung) das Naturgeschichte-Museum in
der Wirklichkeit mit seinen Wärtern, Schulklassen
und grotesken Anordnungen. Beide Museen archivieren "unsere" Natur,
die Natur unserer Beziehungen, unsere Beziehung
zur Natur. Und das ist lange nicht alles, was in
dem Buch zu finden ist. Es gibt eine Mutter-Tochter
Beziehung, die ins Herz der Finsternis führt,
zum unbegreiflichen, unbegriffenen Selbstmord der
Mutter, die von der auferlegten Selbständigkeit
handelt; wie eine Kontrafaktur dazu eine zweite
Mutter/Tochtergeschichte, die scheinbar ins Helle
führt, zu einem (nach all den Wirrungen der
Tochter) Versöhnungs-und Erholungsflug in
den Orient, beide Geschichten kann man gespiegelt
sehen in dem ausgestopften Nashornkind und seiner
möglichen Geschichte: "in einem Korsett
aus Seilen […]
Wie es in einer Kiste eingenagelt wird, aus der
es wochenlang nicht herauskommt. Wie es sich nach
seiner Mutter sehnt (die erschossen wurde), nach
freien Gliedern, nach einem Ausblick und Wasser." Das
Buch berichtet in einem von unserer tierischen
Natur und unserer Unmenschlichkeit, zu deren Preis
Museen (auch Foltermuseen) errichtet sind. Es ist
melancholisch, morbid und nekrophil indem es die
zivilisatorischen Einrichtungen zeigt, die sich
die Gesellschaft für ihre morbide und nekrophile
Art der Naturbeherrschung einrichtet.
Die Melancholie ist klug und selbstironisch und
spielt auf allen Ebenen mit der Kunst, als einer
Konstruktion, welche Realität in einem umfassenden
Sinn darstellt. Der Prolog beginnt mit dem größten
pathetischen Anspruch: "Eines Tages möchte
ich so schreien, daß alle Hindernisse zerklirren".
Kurz vor dem Epilog wird dieser Anspruch eingelöst,
ironisch freilich: die Erzählerin erhält
eine "Schreirolle" in der Oper Lulu,
der befreiende Schrei wird in der künstlichsten
aller Formen inszeniert. Das trifft sich mit der
Beendigung ihres "Auftrags" der Tierbilder.
Die Zeit dieses Auftrags war der "langangehaltene
Atem" (mit den Erinnerungen, Reflexionen),
der ihr diesen "realitätsgesättigten", "opernhaften" Schrei
ermöglicht und sie also zur Kunst befähigt.
Der Epilog kann daher kompensatorisch und resignativ
bleiben, bei der "Lebensfreude, die in kleinen
Butterbroten hockt", bei der "kleinen
Freude in den Zehen auf einem frisch aufgerauhten
Handtuch, im Augenwinkel, der den eigenen schönen
Hüftschatten sieht, das ist alles, und ab
und zu ein Traum auf der Zunge, eine vorgestellte
Stimme im Ohr".
Das Netz von Assoziationen und Widersprüchen
bleibt so dennoch erhalten, die Künstlichkeit
der (unserer) präparierten Natur, einer Natur
aus Viechern, Männchen und Weibchen und Männern
und Frauen und Natur und Kunst bleibt gerade durch
die spielerische Gestaltung provokant. Das Paradox,
daß in einem unprätentiösen, schmalen
Buch so viel Kluges "drinsteht", löst
sich nur, wenn man die Vielfalt und Raffinesse
der auf einander bezogenen Formen wahrnimmt, durch
die "Themen" hergestellt und Assoziationsräume,
riesig wie Museen, mit Fassaden, Innenräumen,
Labyrinthen, Alpträumen aufgetan werden. Man
muß es wieder lesen.
Birgit Schmid in der
Neuen Luzerner Zeitung, 30. März 2000:
Feministische
Literaturkritik brachte in den Achtzigerjahren
einen Geschlechterdiskurs in Gang, der sich einerseits
zur Aufgabe machte, die von Männern entworfenen
literarischen Frauenbilder auf ihre historische
Bedeutung sowie die soziale und ästhetische
Funktion hin zu entschlüsseln; andererseits
in der Literatur von Frauen nach Inszenierungen
von Weiblichkeit und verdeckten Selbst- und Wunschbildern
zu forschen. Der Erstlingsroman "Der langangehaltene
Atem" der österreichischen Autorin Bettina
Balàka ordnet sich in diese Tradition der
so genannten "Frauenliteratur" ein.
Zur Reflexion über das Verhältnis von
Mann und Frau und dessen Wandel, die Selbst- und
Fremdbestimmung im Laufe der Kultur- und Zivilisationsgeschichte,
ist die Icherzählerin allmorgendlich durch
ihre Arbeit gezwungen, auf dem Weg ins Naturhistorische
Museum: "Ich weiß, daß auf der
Kuppel des Museums der Sonnengott Helios steht.
Ich weiß, sobald ich die Schilder gelesen
habe, wohin die Türen führen und wie
man die Ausstellungsstücke bezeichnet. Man
kann nie genug wissen. Die Gelehrsamkeit richtet
sich prächtige Häuser ein, die sie zu
bestimmten Zeiten auch öffnet.
An den Außenwänden ist der Aufstieg
der Wissenschaften im Figurenzierrat verewigt:
die weiblichen Körper sind Allegorien, die
männlichen Köpfe sind Forscher." Ein
anonymer Auftraggeber bittet die Malerin A. Graziani
darum, im Museum ausgestellte Tierpräparate
gegen Bezahlung abzuzeichnen. Die Aufträge
und Antwortbriefe, die vom Prozess des Arbeitens
an Braunbär, Elch und Mähnenwolf erzählen,
strukturieren den Roman in Form von E-Mails.
Darin gibt die Erzählerin leise ihre Faszination
und Skepsis preis - Aufklärungskritik, Hinterfragen
des anthropologischen Sammlerwillens und des Konservierungszwanges
sind unüberhörbar. Der Auftraggeber hingegen
ist mehr angeregt vom gegenseitigen Unkenntlichbleiben.
Er fantasiert Namen und biografische Umstände
seiner Arbeitnehmerin, die erkennt: "Sie hängen
mich an ihren Wort- und Geldfäden auf und
lassen mich tanzen." Die Künstlerin ist
Projektionsfigur und zeigt, durch eigentümliche
Vagheit auch sonst im Leben, eine starke Anpassungsfähigkeit
an die entworfenen Bilder. Die Frau und die gezähmte,
verwertete Natur: Dieser Topos der Kulturgeschichte
tritt in Balàkas Roman explizit in der literarischen
Lulu-Figur auf, ein Leitmotiv in der Geschichte
und immer wieder Gegenstand von Diskussionen zwischen
der Erzählerin und ihren Freunden. Die Ambivalenz
von Frank Wedekinds Tingeltangelmädchen, das,
ganz Triebwesen, einerseits die Männer verschlingt,
andererseits von ihnen ausgebeutet und nach ihrem
Wunschbilde geformt wird, kommt als Konflikt von
Natur und Kunst in der Museumsarbeit der Erzählerin
zum Ausdruck.
Andererseits ist die Erzählerin selbst dem "schönen
Tier" Lulu nicht unähnlich; in ihrem
Verhältnis zum Auftraggeber, ihrer Hingabefähigkeit
und Willenlosigkeit. Auch in der Liebe. "Die
kann von der Liebe nicht leben, weil ihr Leben
die Liebe ist", heisst es von Lulu, und so
stimmt es auch für den Absolutheitsanspruch
der Erzählerin. Sie scheitert an den Superfrauen-Fantasien
der Männer. Zu einem Selbstbild kommt die
Erzählerin nicht. Dies erschweren ihr gleichsam
die schrille transsexuelle Freundin Venezuela ("so
viel Weiblichkeit raubt mir den Körper")
und der engagierte schwule Alfred, der ihr "kein
gesundes Lebensinteresse" attestiert: "Du
mußt dir ein Interesse in dein Leben flicken,
erst dann bist du eine Persönlichkeit, und
nicht nur eine Person. Du mußt achtgeben,
daß dein Schicksal nicht in ein Rinnsal verläuft.
Du mußt Freude und Freunde um dich zingeln,
du mußt so erfüllt werden, daß dich
ein kräftiger Ausdrucksdrang bläht. Du
mußt dir einen Willen anfertigen! Du mußt
dir ein Programm nähen!" An dieser Stelle
kehrt sich das Scheitern der Erzählerin an
Lebensansprüchen plötzlich in lebensbejahende
Verweigerung. Und als der Museumsarbeitsvertrag
gekündigt wird, wird auch die (doppelte) Abbildungsfähigkeit
abgestreift. Es ruft eine neue Aufgabe. Die Tragödie "Lulu" kommt
in der Stadtoper zur Aufführung, und die Erzählerin übernimmt
die "Schreirolle" für die sich schonende
Hauptdarstellerin.
Der Todesschrei der Lulu angesichts des Messermörders
Jack the Ripper ist das Ende des lang angehaltenen
Atems und des Atemholens: die Befreiung von fremden
Bildern. (...) Balàkas Darstellungen von
Weiblichkeit, Sexualität und Kunst wohnt ein
latentes Gewaltmoment inne, in der obszönen
Bildlichkeit an Elfriede Jelinek erinnernd. Überhaupt
gibt es in diesem Romandebüt mannigfache Bezüge
zu zeitgenössischen österreichischen
Autorinnen.
Ä
hnlich lakonisch-unerbittlich schreibt Marlene
Streeruwitz von der weibliche Befindlichkeit im
Heute. Und natürlich ertönt die Stimme
der grossen Ingeborg Bachmann, wenns um das Aufdecken
von subtilen alltäglichen Gewaltformen am
Subjekt und besonders im Verhältnis der Geschlechter
an der Frau geht. An Bachmanns Roman "Malina" erinnert
dann auch das brieflich-mysteriöse Auftragsverhältnis
und der atemlose und erschöpfte Gestus der
Icherzählerin. Daneben werden zahlreiche andere
Fäden zu literarischen Vorbildern und Traditionen
gespannt. (...)
Helmut Kretzl in der Wiener Zeitung,
21. April 2000:
Am Beginn steht das Verlassenwerden
und die Einsamkeit. Die Protagonistin, eine Zeichnerin
von Tierbildern,
zieht sich nach der Trennung von ihrem Partner
ins Schneckenhaus zurück. Ein anonymes E-Mail
reißt sie aus ihrer Lethargie, der Absender
beauftragt sie mit dem Zeichnen ausgestopfter Tiere
im Wiener Naturhistorischen Museum.
Der sich daraus entspinnende elektronische Kontakt
bildet das Rückgrat des Textes, der sich in
mehrschichtiger Weise mit menschlichen Beziehungen
auseinandersetzt und dabei auch Kunst, Identität
und moderne Mediennutzung thematisiert. Als moderner
Briefroman gibt das Buch die Kommunikation der
Zeichnerin mit ihrem geheimnisvollen Auftraggeber,
ihren Freunden und (Ex-)Partnern als E-Mail, Brief
oder Gespräch wieder, eingeflochten sind Erinnerungen,
Gedanken und Träume. Die düstere Grundstimmung
der Geschichten über zerbrochene Beziehungen,
misshandelte Tiere, Verletzungen und Missverständnisse
wird immer wieder aufgehellt durch Ironie und einen
Schuss Sarkasmus.
Der letzte Überlebende eines Indianerstammes
verliert seine Existenzgrundlage durch die Sammelleidenschaft
der Forscher und endet im Museum, wo er die Schöpfungsgeschichte
seines Stammes in den Phonographen spricht - in
einer Sprache, die außer ihm kein Mensch
mehr beherrscht. Nicht nur um das Verhältnis
von Männern und Frauen zueinander geht es
hier, sondern die Geschlechterrollen selbst werden
zum Thema. Unterschiedliche geschlechtliche Identitäten
und Inszenierungen stehen einander gegenüber.
Da ist etwa der homosexuelle Alfred, ein Feminist
mit Hausfrauenambitionen. Die inszenierte Weiblichkeit
der transsexuellen Venezuela, die früher Hans
hieß ("sie geht im Paßgang mit
glänzenden Beinen, die Strümpfe wie von
Toulouse-Lautrec"), lässt die Heldin
ihr eigenes Frau-Sein hinterfragen. Der geheimnisvolle
Auftraggeber verkörpert als Jäger ein
klassisches Männerbild. Mit seinem Geld "überzeugt" er
die Zeichnerin, wird für sie zum "Gönner
und Forderer".
Immer wieder taucht der Mythos von Lulu auf, jener
schillernden Frauenfigur zwischen Täter und
Opfer, Natur und Kunst. Wie in ihren vorangegangenen
zwei Bänden mit Erzählungen hat die literarische
Allrounderin Bettina Balàka in Der langangehaltene
Atem ein verdichtetes, beziehungsreiches Textgewebe
gesponnen, das gleichermaßen lyrische und
dramatische Qualitäten aufweist und deren
Symbolgehalt mehr als eine Deutung zulässt.
Balàkas Prosa ist anspruchsvoll und ungekünstelt,
Berührungsängste mit der Trivialkultur
kennt sie nicht: Da gibt Kleinformat-Beziehungshelferin
Gerti Senger Ratschläge, da trällert
Fernsehwerbung vorüber, Filmausschnitte dienen
als gemeinsame Erfahrungskulisse.
Mit präziser Beobachtung analysiert Balàka
sprachlich souverän die subtilen Mechanismen
zur Erzeugung von Abhängigkeiten. Geschlechterspezifisches
Rollenverhalten wird schonungs-, aber nicht humorlos
aufs Korn genommen. Die Protagonistin bleibt nicht
in der eigenen Betroffenheit stecken. Am Ende steht
der befreiende Schrei der Erlösung.
Angela
Gutzeit in Freitag, 5. Mai 2000:
" Eines Tages möchte ich so schreien,
daß alle Hindernisse zerklirren", heißt
es im Prolog zum Roman Der langangehaltene Atem.
Nun ist die Erzählerin der österreichischen
Schriftstellerin Bettina Balàka kein zweiter
Oskar Matzerath. Ihre vergeblichen Versuche, der
Spirale aus weiblicher Sprachlosigkeit und männlichen
Zuschreibungen, aus Todesphantasien und Angstträumen
zu entkommen, erinnern eher an Ingeborg Bachmanns
Malina.
Nach zwei Erzählbänden liegt nun dieser
erste Roman der 1966 geborenen Bettina Balàka
vor. Es ist ein kunstvoll aus Briefen, Gesprächen,
Erinnerungen und Reflexionen komponiertes Buch.
Und wie schon in ihren Erzählungen verweigert
sich Balàka auch hier jedem stringenten
Handlungsablauf. Es passiert in dieser Prosa im äußerlichen
Sinne wenig.
Eher kann man davon sprechen, dass die Autorin
Bewusstseinszustände ihrer Figuren transparent
machen will, psychische Befindlichkeiten, die sich
in verschiedenen Rollen und Lebensentwürfen
präsentieren. Als Personen werden die Figuren
kaum kenntlich. Es sind oszillierende Existenzen,
die in einem Fall ihr Geschlecht gewechselt haben,
in einem anderen je nach Lebenslage ihren Namen.
Sie offenbaren sich, um aber im nächsten Augenblick
ihre Spuren zu verwischen oder einfach zu verschwinden.
Die Angst vor dem Verschwinden wie auch das nicht
selten verzweifelte Begehren, sich als (weibliches)
Subjekt zu konstituieren, im Leben eine Verankerung
zu finden - sei es durch die Kunst oder durch die
Liebe - sind zentrale Motive in diesem schwierigen,
aber auch faszinierenden Roman der österreichischen
Schriftstellerin.
Bettina Balàkas Roman spielt in Österreich
und das ist - wie schon in vielen ihrer Erzählungen
- nicht unwesentlich für die Befindlichkeit
ihrer Figuren. Österreich, so schwingt es
im Text immer mit, das ist dieser Sumpf aus Spießigkeit
und dumpfen Vorurteilen, aus versteckter Brutalität
und katholisch geprägter Lust an Strafe und
Vergehen. Der einzige konkrete und durchgängige
Handlungsort in diesem, hinter aller Idylle unheilschwangeren
Land ist entsprechend düster: Ein Naturwissenschaftliches
Museum, auf dessen Stufen die Erzählerin zu
Beginn sitzt und über den Verlust ihres Geliebten
Maximilian nachdenkt.
Es sind nur wenige zarte Striche, mit denen die
Dimension dieser Beziehung angedeutet wird, und
doch entfalten sie eine Aussagekraft, eine Wucht,
die an Balàkas Prosa immer wieder betört.
Zärtlichkeit, Liebesglück und Schmerz
liegen eng beieinander, wenn sie schreibt: "Zarte
Nabelschnecke. Die Blinddarmnarbe, eine überstandene
Wandlung. Atmender, lebendiger Bauch." Ein
paar Sätze weiter der Absturz: "Als Max
sagte: Ich fürchte ich muß dich enttäuschen,
da war mir, als hätte er Erde über mich
geschaufelt." Das Begrabensein, das Gefühl,
seelisch zu versteinern, korrespondiert aufs engste
mit der Innenwelt des Museums, das sich die Erzählerin
nach und nach zeichnend erschließt. Sie hat
per e-mail von einer anonym bleibenden Person den
Auftrag erhalten, die präparierten Tiere dieses
Instituts zu zeichnen und ihr gegen Bezahlung zuzusenden.
Nach eigener Behauptung handelt es sich um einen
Mann fortgeschrittenen Alters. Die Erzählerin
verstrickt sich immer mehr in diese Tätigkeit.
Das, wie sie sinniert, von männlichem Forscherdrang
kreierte Institut erscheint ihr zunehmend als ein "Mordmuseum",
eine makabre Ansammlung erstarrter, vergewaltigter
Natur.
Sie zeichnet Affen, die ihre Haut tragen "als
lebenslängliche und tödliche Kostüme",
Fische, die wie "geschminkte Leichen" präpariert
sind, und aufgespießte, "schockgefrorene" Vögel.
Dem Wesen dieser entstellten Natur nahezukommen,
wird der Zeichnerin zur Obsession. Sie entblößt
dadurch - ganz gegen ihren Willen, für den
Auftraggeber unfassbar zu bleiben - nach und nach
ihre eigene verletzte Seelenlandschaft.
"
Ich denke", schreibt sie an den anonymen Herrn, "die
Aufgabe der Kunst ist es, aus dem Leben eine Melodie
herauszusägen, eine Folgerichtigkeit. Aus
Chaos und Verwirrung einen Faden zu ziehen, ihn
zu verhäkeln zu einem Gewebe, zu Akkorden
und Harmonien und Mustern." Verwoben wird
hier die geschundene Natur mit der weiblichen Erfahrung
von permanenter Beschädigung und Erniedrigung.
Die Erzählerin wird von "Rasierklingen-
und Glassplitterträumen" heimgesucht,
in denen immer ein "Zerstörer" anwesend
ist. Und in ihren Erinnerungen häufen sich
die gescheiterten Beziehungen zu Männern und
verdichten sich zu der Erfahrung, dass Menschen
aus ihrem Leben einfach verschwinden - wie ihre
Mutter, die sich in ihrer Kindheit das Leben nahm.
Verständigung scheint nur möglich zu
sein mit ähnlich suchenden und beschädigten
Existenzen: Venezuela, die Transsexuelle, die vorher
Hans hieß und jeden Tag aufs neue ihre gewandelte
Identität gegen eine feindliche Umgebung behaupten
muss; Alfred, der homosexuelle Kostümbildner
und Feminist, der in Wedekinds Lulu sein unerreichbares
Ideal erkennt; Isabelle, die wie die Erzählerin
von einem Mann verlassen wird. (...) In ihrem Roman
finden sich immer wieder dichte, ruhig erzählte
Passagen, die im Bewusstsein des Lesenden lange
nachwirken. Am Schluss des Romans zum Beispiel
steht ein wirkungsmächtiges Bild: Alfred,
der schwule Freund, vermittelt der Erzählerin
eine Rolle in einer Operninszenierung von Wedekinds
Lulu. Aus dem Hintergrund, für niemanden sichtbar,
hat Balàkas Protagonistin am Ende jeder
Vorstellung nur eins zu tun, einen markerschütternden
Schrei auszustoßen: Es ist der Todesschrei
der ermordeten Lulu. Wie endet Bachmanns Malina?
Das weibliche Ich verschwindet in einer Wand. Nur
ein Schrei ist noch zu hören. Und der letzte
Satz lautet: "Es war Mord."
Anton Thuswaldner
in den Salzburger Nachrichten, 3. Juni 2000:
Sie
ist eine Erzählerin, die es faustdick
hinter den Ohren hat. Erzählen allein genügt
ihr nicht, sie will mehr. Bettina Balàka
nimmt Geschichten zum Anlass, um draufzukommen,
was sich im Reich der Menschen abspielt, in deren
Herzen, in deren Gefühlen, in deren Bewusstsein.
Sie arbeitet sprachbewusst und lässt sich
keine Flüchtigkeiten durchgehen. Menschen
sind nicht nur unverwechselbare Charaktere, sie
sind gefangen in einem System von Inszenierungen,
sie sind nie nur sie selber, sondern auch Vertreter
einer Haltung.
Janko Ferk in Der Presse, 10. Juni
2000:
Mit formalisierter Theorie ist
diesem Buch nicht beizukommen, weil es viel zu
viel Dynamik
in sich
hat. Die Vitalität dieser Prosa setzt die
Regeln der Poetologie außer Kraft, in einer
Art, wie es zuletzt nur wenigen gelungen ist. Gewarnt
sei, daß dieses Buch keine Antworten gibt;
es macht nur Angebote; es bietet die Möglichkeit,
eine besondere Perspektive einzunehmen. Der Leser
kann sich an Sprachspielen sowie Deutungen beteiligen
und in eine postmoderne Fiktionalität einsteigen.
Dieses Buch, das "den Dingen die Farben zurückgibt",
liest man am besten mit dem Bleistift. Unvermittelt
stehen Sätze da, die so originell sind, daß man
sie unterstreichen möchte.
Die Erzählerin im Roman der 1966 in Salzburg
geborenen Autorin teilt sich brieflich mit. Sie
mailt, wie es heute modern und üblich ist.
Die Hauptfigur ist Malerin und steht in Briefwechseln
mit einem anonymen und bis zuletzt unbekannten
Auftraggeber, daneben mit Freundinnen und Geliebten.
Geschrieben wird über Kunst, Liebe und Geschlecht,
wobei sich die Autorin als auf vielen Gebieten
gebildet erweist; enorm ist das naturwissenschaftliche
Wissen. Sie formuliert poetische Gebrachsanweisungen
für den Alltag. Dabei ist ihr "die Gewahrwerdung
der Gegenwart" wichtig.
Trotzdem weiß die Erzählerin, daß Kunst
niemanden beschützen kann und nichts Läuterndes
an sich hat. Balàka erzählt über
die Mediengesellschaft, schreibt von "Kuriositäten
ohne praktischen Wert", gibt Landgeschichten
wieder, läßt etwas über eine Erbschaftsfehde
wissen und macht ihre facettenreiche Prosa an vielen
Stellen mit Sätzen über den Sex bunt.
Kurz, sie erzählt über "Entrückung,
Verzückung, Traum". Dabei sind "an
manchen Tagen die Sterne bewölkt". Die
Autorin zieht an Tausenden Fäden; sie beherrscht
das Kreuzen und Verflechten; als der polychrome
Prosateppich aus wortreicher Sprachlichkeit gewebt
ist, kann es schließlich nur noch heißen: "Irgendwann
ist der letzte Brief geschrieben, auf den keine
Antwort mehr kommt." Erst dann kann man den
Atem loslassen, das Buch ist zu Ende. Und die Spannung.
Werner
Schandor in schreibkraft 4/2000:
" The trick is to keep breathing", empfehlen
die Briten lakonisch, wenn jemand an einem Schicksalsschlag
laboriert. Ein Tip, dem die Protagonistin in Bettina
Balàkas neuem Roman Der langangehaltene
Atem nur schwer nachkommen kann. "Ich rauche
zuviel. Ich atme zuwenig." Atemlos versucht
sie ihr Leben in den Griff zu kriegen.
Nur langsam kommt man drauf, was ihr eigentlich
den Atem nimmt. Vordergründig ist der Anlaß,
daß sie nach einer kurzen Affäre von
einem Mann namens Max verlassen wurde. Irgendwann
erfährt man aber, daß es nicht wirklich
um Max geht, daß es auch schon eine Reihe
Erichs, Jakobs usw. gab, kurzum: daß die
Beziehungskiste keine Tragödie, sondern eine
Banalität ist.
In tieferen Schichten brütet die Protagonistin über
zwei anderen Themen: die Frage nach der (weiblichen)
Identität und - auch nicht ohne - die Frage
nach dem Tod. Beide aus einer radikalen Position
betrachtet, die oft an die Todesarten-Texte von
Ingeborg Bachmann erinnern, jedoch ohne sich dem
Bachmannschen Todestaumel hinzugeben. Doch halt,
fangen wir von vorne an. Wir wissen bisher nicht
einmal, wie die Protagonistin heißt, und
sie scheint es selbst nicht zu wissen.
Fest steht: Ihr Familienname lautet Graziani, und
sie ist Malerin. Sie wohnt allein in Wien, und
für einen unbekannten Auftraggeber, der mit
ihr via E-Mail kommuniziert, zeichnet sie im Naturhistorischen
Museum ausgestellte ausgestopfte Tiere ab. Ihre
beste Freundin Isabelle lebt im Süden Frankreichs
und berichtet - ebenfalls über E-Mail - von
einer heißen Affäre. Ihr bester Freund
Alfred versucht, mit gutgemeinten Ratschlägen
aus diversen Lifestyle-Magazinen mehr Farbe in
das Leben der Graziani zu bringen. Außerdem
macht er sie mit Venezuela, einer Transsexuellen,
bekannt. Diese empfiehlt einen Namenswechsel: "So
eine Namensauffrischung, glaub mir, tut Wunder,
wie ein neues Kleid, eine neue Lebens-Geschichte."
Doch Namen hat sie bereits genug: Agnes, Aurelia,
Annamaria, Anna, Astrid und Alabaster-Allerliebste
wird sie abwechselnd genannt. Die wechselnden Namen
teilt sie mit Frank Wedekinds Lulu. Und: "Da
gibt es doch diesen Mythos, wonach man über
einen Dämon erst dann Macht bekommt, wenn
man seinen richtigen Namen kennt", erinnert
sich Venezuela. Dämonen scheint es im Leben
der A. Graziani genug zu geben: Die Einsamkeit,
der Tod, die seelische Abgestorbenheit, wofür
die Porträts ausgestopfter Tiere eine wunderbare
Metapher sind. Grazianis unbekannter Auftraggeber
erkundigt sich auch nach ihren Alpträumen.
Er möchte an den Schreckensseiten ihres Lebens
teil haben. "Ich sehe Sie vor mir", antwortet
ihm die Malerin, "vom Leben abgeschnitten,
von genügend Geld genügend gelangweilt,
ein Vampir, der sich von den Intimitäten anderer
nährt, weil ihm der Mut zu wirklichen Berührungen
fehlt." In dieser Beziehung - zwischen Auftraggeber
und Künstler - tut sich ein großer Interpretationsspielraum
auf: Wie sieht eigentlich das Verhältnis zwischen
Leser und Autor aus? Nochmals an Bachmann gedacht:
Ist nicht der Schauder, der einen beim Lesen eines
seelischen Todeskampfes befällt, auch nur
die Sehnsucht des Blutsaugers, in fremde Alpträume
einzudringen? Bettina Balàka webt in ihrem
Roman aus Traumsequenzen, Briefwechseln und Gesprächen
ein ebenso dichtes wie leichtes, elegantes Netz
an Hinweisen. Langsam zieht es sich über den
Leser, während sich die Protagonistin langsam
daraus befreit.
Max - anfangs der Urquell ihres Leidens - spielt
ab der Mitte des Buches keine Rolle mehr. Stattdessen
wird die große Atemlosigkeit zum Thema. Dem
Zugrundegehen aus Kurzatmigkeit gilt es zu entgehen.
Das Bild, wie Graziani den Ausweg findet, ist schön:
Für eine Inszenierung von Alban Bergs Lulu
wird jemand gesucht, der den Todesschrei der Lulu
am Schluß des Stückes ausstößt.
Die Malerin ist bei der Probe anwesend, weil Alfred
die Kostüme für die Inszenierung macht. "Ohne
genau zu wissen, was ich tat, holte ich plötzlich
tief Luft - und schrie!!!!! Ich vergaß mein
Gesicht, meinen Kopf, meine Augen. Ich stieß mich
ab wie eine Rakete, ich sah ein Licht, das sich
in Kristallen, in Prismen, in strahlenfangenden
Spiegeln bis zur äußersten Helligkeit
auflud."
So erleichternd diese Befreiung für die Protagonistin
ist, so unzufrieden auf der einen und glücklich
auf der anderen Seite läßt sie den Leser
zurück. Zu plötzlich tritt die Katharsis
durch den fingierten Todesschrei ein. Alle Probleme,
die während des Buches angerissen wurden,
alle dunklen Wolken, die über dem brütenden
Haupt der Malerin hingen, scheinen nicht (auf)gelöst,
sondern einfach nur weggestoßen zu werden.
Doch andererseits ist man froh, daß die Malerin
ihren Atem wieder gefunden hat.
So kommt letztlich die Lakonie, die das ganze Buch
unterschwellig durchzieht, zu ihrem Recht. Es ist
genau so leicht, wie die Briten behaupten: "The
trick is to keep breathing." Trotz der Irritation
am Schluß stellt Bettina Balàka mit
diesem Buch einmal mehr klar, daß sie nicht
nur eine würdige Nachfolgerin von Ingeborg
Bachmann wäre, sondern auch, daß sie
eine der sprachbegabtesten und spannendsten jungen
Autorinnen Österreichs ist.
Iris Strohner in
Brigitte 17/2000:
In ihrem ersten Roman entwirft
die bisher als Lyrikerin und Erzählerin bekannte Bettina
Balàka ein Ensemble unterschiedlichster
Frauenbilder. Im Zentrum steht dabei eine Malerin,
die im Auftrag eines anonymen Gönners ausgestopfte
und verstaubte Tiere des Naturhistorischen Museums
porträtiert.
Aus zahllosen Briefen, Telefonaten und Gesprächen
mit ihrer Freundin Isabelle, dem schwulen Alfred
und der transsexuellen Venezuela entwickelt sich
ein dichtes Gewebe aus verschiedenen weiblichen
Identitätsentwürfen. Dabei spielt die
Liebe natürlich eine entscheidende Rolle.
In erster Linie das Scheitern der Beziehungen zu
den Männern, die bei Balàka nur mehr
ironisch karikiert auftauchen. Ein unterhaltsamer
und kritischer Beitrag für einen spielerischen
Umgang mit festgefahrenen Geschlechterrollen, aber
auch zum häufigen weiblichen Selbstbetrug.
Christiane
Zintzen in der Neuen Zürcher Zeitung,
30. November 2000:
Sondersame Kosmen sind es, in
welche uns die österreichische
Autorin Bettina Balàka führt: Hatten
die Erzählbände "Krankengeschichten" (1996)
und "road movies" (1998) die Transitzonen
krisenhafter Lebensmomente durchquert, so verheisst
bereits der Titel ihres jüngsten Prosawerkes
einen Stillstand der beklemmenden Art: "Der
langangehaltene Atem" mag, wo selbstgewählt,
die Taucherin zu den schönsten Perlen am Meeresgrunde
führen; wo jedoch eine fremde Hand solche
Atemnot erzwingt, übt sie lebensbedrohliche
Gewalt wider den aeroben Leib. Die meisten der
Gestalten, welche den Textweg dieses "Romans" säumen,
sind freilich des Atmens und anderer Stoffwechsel
auf ewig enthoben: Wir befinden uns in den staubschattierten
Hallen des Wiener Naturhistorischen Museums.
Noch ehe wir dem lebendigen Ich der vor den Vitrinen
kauernden Zeichnerin Graziani persönlich begegnen,
führt unser Weg in die Werkstatt des Taxidermisten:
Was aber vollzieht der Tierpräparator mit
seinen "neuesten dermoplastischen Methoden" anderes
als die Zeichnerin, welche mit Kohlestift die animalischen
Museumsstücke porträtiert? Es arbeiten
beide Hand-Werker nach der Natur, und beide vollziehen
dies im klassischen doppelten Wortsinn: Als mimetische
Unterfangen bleibt dem "Ausstopfen" wie
auch dem "Abzeichnen" die Melancholie über
die eigene Nachgängigkeit hinsichtlich des
lebendigen Jetzt eingeschrieben.
Balàka spielt kundig mit dem motivischen
Fundus, welchen der museale Ort zwischen Natur
und Kunst, zwischen Leben und Tod, zwischen Präsenz
und Abwesenheit anzubieten hat. Abwesend bleibt
die tangible Physis der in den Vitrinen ausgestellten
Tiere. Abwesend bleibt auch der - anonym bleibende
- Auftraggeber, mit welchem sich indes ein reger
elektronischer Briefverkehr entspinnt. Das gute
alte "Geheimnis" tritt auf den Plan und
lockt verheissungsvoll mit der Möglichkeit
einer kriminologischen Intrige. Die Autorin indes
versagt ihrem Text (sowie der Leserin, dem Leser)
eine so süffige Dramaturgie und nützt
den Topos musealer Natures mortes für komplizierte
philosophische Wandelgänge durch das Warenlager
der Theorien zu Kommunikation, Geschlecht und Charakter.
Wirft jedes Vitrinenschild - jenes etwa für
den "Mähnenwolf" (Chrysocyon brachyurus)
- die Thematik der Beziehung von Bezeichnung und
Bezeichnetem auf, so dürfen wir weiter fragen,
wer - nach Linné - mit welchem Recht hier
was, wie und warum klassifiziert: Im Roman ist
es die transsexuelle Freund(in), welche die gängigen
Taxonomien von Männlich und Weiblich aufs
Schillerndste durchkreuzt, doch bleibt dieser kokette
Paradiesvogel - wie die anderen Protagonisten -
eigentümlich blass. Offenbar zielt die Erzählerin
nicht auf psychologisch plastisches Personal, sondern
behandelt ihre Figuren als schiere "Textfunktionen":
grammatische Homunkuli, des Lebensbrodems bar.
Auf die Metaphorik des Museums rückübertragen,
offenbart sich Balàkas Erzähltechnik
als musée imaginaire: Das Genre "Roman" bildet
als umfängliche Kubatur gewissermassen das
Museumsgebäude, welches die Erzählerin
mit narrativen Exponaten möbliert. Wie Vitrinen
- ferne und doch nah - placiert sie die vielen
Briefe, die E-Mails, die Träume und Erinnerungen
ihrer Protagonisten und überlässt es
dem lesenden Fußvolk, an diesen Textschaukästen
entlang zu wandeln: Zweifellos ein glänzender
Schachzug der Autorin, ihr auktoriales Diktat just
in seiner vorgeblichen formalen Aufhebung auszuüben.
Ein Theaterdonner indes durchbricht den Spuk der
statisch verharrenden Körperwelten. In einem
finalen Opfer-Schrei kommt nicht nur die dem Text
hintergründig eingewebte "Lulu"-Thematik
zu sich, sondern auch die bislang stumme Porträtistin
zur Stimme - und schöpft endlich den lange
verhaltenen Atem, welchen der Titel versprach.
In Präludium und Coda taucht diese "Lulu" als
symbolisches Alter Ego der Zeichnerin auf; peu à peu
verschiebt sich der Fokus von der zeichnerischen
Gestaltung des toten Getiers hin auf die Gestalt
der Zeichnerin: auf das Weib-Tier nämlich
und das Objekt männlicher Begierden. So landen
wir wieder im Atelier des Taxidermisten, nur dass
dieser jetzt den Mantel eines kosmetischen Chirurgen
trägt. Wo sich dessen Handwerk - zwischen
Brustimplantat und "Vaginal-Rejuvenation" -
zur Zurichtung weiblicher Idealkörper im Roman
suggestiv mit dem Motivkomplex des Naturhistorischen
Museums verflicht, bleibt die - separat unter dem
Titel "Messer" publizierte - essayistische
Polemik notwenig flach: Einmal mehr erweist sich
die souveräne Überlegenheit einer literarisch
verfügten Textur gegenüber der notwendigen
Einsinnigkeit auch noch der temperamentvollsten
diskursiven Argumentation.
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