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Dissoziationen

Wilhelm Pauli in Kommune 3/03:

Aus dem mir bisher unbekannten kleinen Resistenz Verlag (Linz/Wien), mit dem wohl etwas großmundigen Herrn Ehrenreich an der Spitze, ist in der schlichten Aufmachung eines - sagen wir - Steno-für-Anfänger-Heftchens (61 S., 11 Euro) das allerdings zur Ehre gereichende Glanzlicht des Jahres zu vermelden: "Dissoziationen" heißt das Werkelchen, von der Mittdreißigerin Bettina Balàka, "Gedichte aus Pflanzen und Vögeln" ist der Untertitel. Wer jetzt aber das nervenzersetzende "Bewispern von Gräsern und Nüssen" und Bambis im Bambus befürchtet, wird erst verblüfft in aufrechter Haltung Achtung zollen und dann geradezu enthusiasmiert die Kunstwerke oder -wucherungen Lyrikfreunden & -freundinnen ans Herz legen. Wie Bettina Balàka aus den Säften, die in grünen Schäften schießen, aus jodelnden Knospen und lavendeltauübergossenen fleischigen Knollen der Menschen fleischfeuchte Lust
drechselt oder aus dem Knarren rüpeliger Saatkrähen harte Frauenschicksale schmiedet, wie das eine aus dem andern sich schiebt, wächst, windet und wandelt, völlig organisch und schier hinter dem Rücken des Lesers, dass man sich verduzt die Augen reibt, wenn man am Ende merkt, wohin uns Balakas kundige Hand geführt, das ist ziemlich eigen und Zukunft verheißend, und ausnehmend schön ist es auch.



Kurt Neumann im Monatsprogramm der Alten Schmiede, April 2003:

Bettina Balàkas Gedichte Dissoziationen binden in ihrem erzählenden Gestus Beobachtungen, mythologische Weltbeschreibung und bildliche Assoziationen in einen Stimmfluss, der in seiner Ausdruckskraft überzeugt. Die Stimmen gehören einmal den Pflanzen, einmal den Tieren oder den die Pflanzen und Tiere (be)achtenden Menschen.


Helmut Wolfgang in den Salzburger Nachrichten, 4. Jänner 2003:

Ihr hohes lyrisches Können stellt Balàka einmal mehr im schmalen Gedichtband "Dissoziationen" unter Beweis. In vielschichtigen und geistreichen Gedichten über Pflanzen und Vögel gelingt es ihr, Biologie mit Fantasie und Poesie auszusöhnen. Unerwartete Wendungen, Wortspiele und mitunter ein Schuss Humor machen diese Gedichte auch für Lyrikmuffel lesenswert.


Erich Klein im Falter, 11.10.2002:

Balàkas "Dissoziationen", Gedichte "aus Pflanzen und Vögeln", so der Untertitel des schmalen Bändchens, umkreisen in langstrophigen und kurzzeiligen Wortketten Natur und Geschichte. Eichelhäher, Graugans oder Saatkrähe bevölkern eine funkelnde und sprühende poetische Landschaft, in der sich außerdem Granatapfelbaum, Mistel oder Platane finden.
Bleiben die ziselierten Gebilde konkret wie in der Beschreibung der Türkentaube ("es geht um die Drehung des Kragens") oder der Silberpappel ("Pappel sein ist ein trauriger Beruf / die Straßen aufrecht halten / die stürzen / die Himmel abstützen von der / Geschichte"), gelingen Texte von großer Eindringlichkeit. Noch öfter aber verfliegt sich Bettina Balàka, die von einem perfekten Rhythmusgefühl angetrieben wird, in allzu viel Poesie. Dissoziation mag als Programmatik eine Herausforderung darstellen, das Übermaß an fantasievollen Bildern, all dieser Meere, Winde und Knospen samt ganzer großer Weltgeschichte mit ihren Katastrophen ("und die Flüchtenden ziehen eine Puppe am Ärmel / und ein Kind an der Hand") wirken hingegen betulich und aufgesetzt. Dennoch, wer Bilder wie jenes vom Kaiserpinguin erschreibt ("dafür werden sie auch ausgekocht / oder zum Heizen / mit ihrer knisternden Fettschicht / ins Feuer geworfen") oder sich überstürzende Wortfolgen wie "Holunder, du runder / im Beerengebüsch / im Fliedergefleuch"), die sollte auch gelesen werden.

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